Ronald M. Schernikau in Matthias Frings' „Der letzte Kommunist“
Von Patsy Henze
Ronald M. Schernikau sehnte sich zeitlebens nach einem Leben in der realsozialistischen DDR und konnte als Schriftsteller schließlich wenige Jahre vor der Wende seinen Traum verwirklichen. Matthias Frings war mit ihm befreundet und schildert in dem Buch „Der letzte Kommunist“ Schernikaus Leben aus seiner persönlichen Perspektive. In seiner Mischung aus historischen, autobiographischen und belletristischen Darstellungsweisen eignet sich das Buch als Lektüre für den Deutsch-Unterricht.
In den Osten gegangen, im Westen angekommen
Eine ausführlichere Betrachtung von Schernikaus Wirken und Rezeption lässt sich im Artikel von Martin Brandt nachlesen. An dieser Stelle wird auf die besonderen Merkmale des Buches von Matthias Frings über den Schriftsteller eingegangen.
Frings lernte Schernikau im Westberlin der 1980er Jahre kennen, beginnt entsprechend mit seinem eigenen Weg über das Studium in politisierte schwule Zusammenhänge. Dort lernte er etwa Elmar Kraushaar kennen, ein bedeutender Schwulenaktivist der in den 1970er Jahren Vorreitergruppen wie die Homosexuelle Aktion Westberlin gründete. Mit ihm sollte ihn eine Freundschaft und lange Zusammenarbeit verbinden; sie verfassten gemeinsam erste Bücher zu Pubertät, schwuler Gesundheit und HIV/AIDS. Der entstehende Freundeskreis, in dem sich auch Schnernikau befand, wird detailreich aus Frings Perspektive beschrieben. Seine Haltung gegenüber den politisch engagierten Schwulen der 1970er Jahre und den Linken in den 1980ern wird an einigen Stellen deutlich und wirkt häufig etwas überspitzt. Gleichzeitig lässt der Schreibstil keinen Zweifel an der subjektiven Form des Erzählens, womit Ansichten des Autors als solche erkennbar werden. Eine Kritik, die sich an das Buch richtet, problematisiert genau diese Selbstdarstellung von Frings als narzisstische Nabelschau, wodurch eigentlich ein Buch über ihn anstatt Schernikau entstanden sei. Durch die Sichtbarkeit des persönlichen Einblicks, den Frings gibt, wird der Einbezug der Erfahrungen des Erzählers allerdings vielmehr ein wertvoller Teil des Romans – und der dargestellten Biographie des Schriftstellers Schernikau.
Nicht zuletzt sein enger Bezug zu bewegten Schwulen in Westberlin prägte Schernikaus Weg. Seine Liebe zum Schlager und der sich daraus ergebende Kontakt zu Marianne Rosenberg fügt sich in sein Faible für die Polit-Tunten der 1980er Jahre in Westberlin ein. Für sie verfasste er Bühnenstücke, die in der schwulen Subkultur aufgeführt wurden. Dort fand er Liebhaber, mit denen er teils dramatische Beziehungen einging. Diese schildert Frings teils anhand eigener Eindrücke als auch anhand der Tagebucheinträge und Briefwechsel, die sich im Schernikau-Archiv fanden.
Durch Frings wird ein komplexes Bild des Künstlers erzeugt, er wird nicht auf einzelne Eigenschaften reduziert. So wird deutlich, dass er Schwuler, Kommunist und Schriftsteller war und diese Aspekte sein Leben gleichermaßen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich stark prägten. In die einnehmende Erzählung werden Schaffensprozesse einiger Bücher und Schriften Schernikaus verwoben, was Lust auf seine Werke, wie etwa die „Kleinstadtnovelle“ macht. Seine Begeisterung für die DDR ebenso wie Freundschaften und Kontakte zu zahlreichen Schriftsteller/innen wie Gisela Elsner oder Elfriede Jelinek werden im Buch nachvollzogen. Dabei wagt Frings einen Brückenschlag und verwendet belletristische Erzählmodi: Nicht mehr nur Frings tritt als erzählendes rückblickendes Ich auf, sondern ein allwissender Erzähler schildert fiktional, doch auf historischen Erlebnissen basierende Situationen zwischen dem Kind Schernikau und seiner Mutter Ellen. Die beiden sind in den Westen gegangen – ein zentraler Erzählstrang im Buch. Sie ergänzen Frings' persönliche Geschichte und schöpfen aus Gesprächen, die er mit Ellen geführt hat sowie Einsichten in das bei ihr gelagerte Archiv des Schriftstellers.
Schernikau im Unterricht
„Der letzte Kommunist“ eignet sich hervorragend für den Unterricht ab Sekundarstufe II. Es bietet Einblick in unterschiedliche Aspekte von Schernikaus Leben, die in Unterrichtseinheiten untergliedert werden können; etwa Leben in Westberlin in den 1980er Jahren, Homosexualität und das Verhältnis von Bundesrepublik und Deutscher Demokratischer Republik hinsichtlich ihrer Schriftsteller/innen. Zusätzlich werden Erzählmodi und Genres innerhalb eines Buches deutlich sichtbar und können zur analytischen Einführung im Deutsch-Unterricht behandelt werden.
Das Buch ist über den Aufbau Verlag für 12,95 € erhältlich.
Frings, Matthias: Der letzte Kommunist. Das traumhafte Leben des Ronald M. Schernikau. Aufbau Verlag Berlin 2011. ISBN 3351026692.
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- 13/08/2013 - 17:16