Berlin 1933 - Der Weg in die Diktatur
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Content-Author: Ingolf Seidel You have to be logged in to view the profile
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Von Klaus Hesse
Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. „Dieser historische Tag war ein Ende und ein Anfang. Mit ihm ging die ungeliebte Weimarer Republik zu Ende (…); gleichzeitig setzte mit diesem Tag jener Prozess ein, der in einen Abgrund aus Krieg und Völkermord (…) führen sollte. (…) Dieser Weg endete in Auschwitz.“ (Ian Kershaw, Hitler 1889-1936, Stuttgart 1998, S. 551).
Hitler verfügte jedoch zu Beginn weder über absolute Macht im Staate noch konnte er ohne die Unterstützung der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und des Reichspräsidenten regieren. Im ersten Kabinett Hitlers waren Nationalsozialisten in der Minderheit, besetzten jedoch Schlüsselpositionen. Hitler als Kanzler, Wilhelm Frick als Reichsinnenminister und Hermann Göring als kommissarischer preußischer Innenminister verfügten über die entscheidenden Machtmittel, um auch aus eigener Kraft den radikalen Umsturz der Machtverhältnisse zu betreiben.
„Im Rückblick ist es heute kaum weniger erstaunlich als für damalige Zeitzeugen, wie rasch sich Deutschland zwischen Ende Januar 1933 und Anfang August 1934 veränderte.“ (Ian Kershaw, Hitler, S. 552). Der Reichstagsbrand gab den Nationalsozialisten die Handhabe, mit der Notverordnung des Reichspräsidenten „zum Schutze des Deutschen Volkes“ die Grundrechte der Weimarer Verfassung abzuschaffen, Versammlungen der KPD und SPD und ihre Zeitungen zu verbieten, ihre Parteibüros zu durchsuchen und zu schließen. Tausende kommunistische Funktionäre, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, prominente andere politische Gegner und den Nationalsozialisten verhasste Publizisten/innen, Schriftsteller/innen, Journalisten/innen und Künstler/innen wurden verhaftet oder zur Flucht gezwungen.
Nachdem die NSDAP nach den Neuwahlen vom 5. März 1933 nicht allein, jedoch zusammen mit der DNVP die absolute Stimmenmehrheit im Reichstag gewonnen hatte, entmachtete das Parlament sich mit der Zustimmung zum „Ermächtigungsgesetz“ am 23. März 1933 selbst. Es versetzte Hitler in die Lage, selbst seine Gesetze zu schaffen. Wenig später wurden die föderale Struktur der Weimarer Republik zerschlagen, die Länderparlamente aufgelöst, NS-„Reichsstatthalter“ dort eingesetzt. Weitere Wegmarken der nationalsozialistischen „Gleichschaltung“ von Staat und Gesellschaft und der Einschüchterung jeder Opposition waren u.a. der Boykott jüdischer Geschäfte, Anwaltskanzleien und Arztpraxen am 1. April 1933; die „Säuberung“ des Staatsapparates von Juden und Jüdinnen und politisch „Unzuverlässigen“ durch das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933; die Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933; die (Selbst)auflösung der Parteien und das Verbot der SPD im Sommer 1933 und die Festschreibung der NSDAP als Staatspartei im „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ vom 14. Juli 1933.
Fast ein Jahr später, am 30. Juni 1934, entmachtete Hitler die SA-Führung, ließ deren wichtigste Vertreter, aber auch u.a. den ehemaligen Reichskanzler General Kurt von Schleicher und andere politische Gegner/innen ermorden und die Aktion nachträglich als Akt der „Staatsnotwehr“ legalisieren. Sofort nach Hindenburgs Tod am 2. August 1934 ließ Hitler die Ämter von Reichspräsident und Reichskanzler vereinigen und die Reichswehr auf seine Person vereidigen. Als nunmehr „Führer und Reichskanzler“ hatte er den „Führerstaat“, 18 Monate nach dem 30. Januar 1933, fest etabliert.
Viele antidemokratisch, „antimarxistisch“ und republikfeindlich gesinnte, krisenverängstigte Deutsche stimmten den Nationalsozialisten begeistert zu. In Hitler sahen sie „den Garant innerer Sicherheit und Ordnung“ (Peter Steinbach, 1933: Terror und „Gleichschaltung“, in: Stiftung Topographie des Terrors (Hg.), Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt in der Wilhelm- und Prinz-Albrecht-Straße. Eine Dokumentation, Berlin 2010, S. 17) und den „Erlöser“ aus wirtschaftlicher Not und dem verhassten „System von Versailles“. Die Eroberung der Macht durch die Nationalsozialisten wäre ohne die Mitwirkung der konservativen Eliten und ohne die Unterstützung breiter Kreise der deutschen Gesellschaft nicht möglich gewesen. Für die Errichtung der NS-Diktatur war aber ebenso der skrupellose Einsatz politischer Gewalt durch die Nationalsozialisten verantwortlich. Nach dem 30. Januar 1933 entwickelte er sich in einer Mischung „legaler“ staatlicher Maßnahmen und „wilden“, aktionistischen Terrors von unten durch die paramilitärischen Milizen der NSDAP, die SA und die SS, die als „Hilfspolizei“ eingesetzt wurden.
Aus Anlass des 80. Jahrestages der Machtübergabe an die Nationalsozialisten zeigt die Stiftung Topographie des Terrors die Sonderausstellung „Berlin 1933 - Der Weg in die Diktatur“. Schlaglichtartig ruft sie in Bild- und Textdokumenten Schlüsselstationen der Etablierung der NS-Herrschaft in den ersten sechs Monaten des „Dritten Reiches“ am historischen Schauplatz Berlin auf. Sie rückt dabei auch das Schicksal der frühen Opfer des NS-Terrors in Berlin in den Blick. Die Zahl der 1933 in Deutschland von den Nationalsozialisten ermordeten politischen Gegner/innen und anderen Opfer ist nur unzureichend erforscht. Schätzungen gehen von bis zu 600 Opfern im Reichsgebiet aus. In Berlin wurden vermutlich mindestens etwa 100 Menschen erschossen, erschlagen oder auf andere Weise aus politischen, „rassischen“ oder anderen Gründen umgebracht, fast ausnahmslos Männer. Bezieht man zahlreiche Suizide mit politischem Hintergrund ein, muss von noch deutlich mehr Opfern ausgegangen werden.
In der Ausstellung bilden exemplarische Biographien und eine mit biographischen Angaben versehene Zusammenstellung von Namen früher Terroropfer in Berlin räumlich und inhaltlich den Kern der Präsentation. Sie wird am 30. Januar 2013 im Sonderausstellungsraum der Stiftung als kompakte Erstfassung eröffnet. Die deutlich erweiterte Endfassung wird im März 2013 „outdoor“ in den freigelegten Kellerrudimenten der ehemaligen Gestapozentrale an der Niederkirchnerstraße eröffnet. Um u.a. Redebeiträge der Eröffnung am 30. Januar dokumentieren zu können, erscheint ein Ausstellungskatalog zur Eröffnung der Endfassung im März 2013.
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- 20/02/2013 - 09:39