Der virtuelle Gedenkort T4
Die Internetseite Gedenkort-T4 informiert über die nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde an 300.000 Menschen in Deutschland und Europa. Zudem versteht sie sich als virtueller Gedenkort. Die Chiffre T4 bezieht sich dabei auf die Adresse der zentralen Planungsstelle der Morde in der Tiergartenstraße Nr. 4 in Berlin.
Vergangenheit
Die Webseite orientiert sich an der Topografie der Morde indem es in den drei Hauptkategorien Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft eine Karte der Gegend um die Tiergartenstraße als grafische Grundlage verwendet. Der Bereich Vergangenheit versammelt umfangreiche Informationen zu den Themen Aktion T4, T4 Zentrale, Zwangssterilisationen, Tötungsanstalten, Täterbiografien, Biografien der Opfer und Widerstand. Die T4 Zentrale wird anhand von Fotografien aus den dreißiger Jahren sowie einer 3D-Animation visualisiert; ein Nachkomme der Besitzer der Villa an der Tiergartenstraße 4, informiert über die Geschichte des Hauses, bevor es zur Zentrale der Aktion T4 wurde. Vier Täterbiografien stehen unzählige Opferbiografien gegenüber, die vor allem dem Gedenken dienen sollen. Die Täterbiografien werden von historischen Dokumenten und weiterführenden Literaturhinweisen begleitet. Das Thema Widerstand wird anhand der Biografie des Pastors Paul Braune behandelt.
Gegenwart
Der zweite Bereich des virtuellen Gedenkortes ist mit dem Schlagwort Gegenwart übertitelt. An dieser Stelle werden die Begriffe Eugenik und „Euthanasie“ in ihrer aktuellen Relevanz beleuchtet sowie theoretische Ansätze und Problem- und Erfahrungsfelder vorgestellt. Ein umfassender Aufsatz verdeutlicht den Umgang mit der NS-“Euthanasie“ in der Nachkriegszeit, ein weiterer die Strafverfolgung der Täter. Drei Videointerviews stellen Personen vor, die sich mit dem Gedenken an die NS-“Euthanasie“ beschäftigen. Sehr umfangreich und spannend ist der Aufsatz über die Erinnerungskultur im Stadtraum, der das Schicksal des Geländes der T4-Behörde nachzeichnet, vom Abriss der Villa in den fünfziger Jahren, über den Bau der Philharmonie an der gleichen Stelle und die zahlreichen Bemühungen um eine Erinnerung an die Morde und die Aufstellung mehrerer Denkmäler seit den achtziger Jahren. Eine Aufgabe für die Zukunft bleibt jedoch eine Gesamtgestaltung des Platzes um die Philharmonie herum zu schaffen, die die einzelnen Hinweistafeln und Gedenkstellen eindrücklich miteinander verbindet und einen sichtbareren Gedenkort schafft.
Zukunft
Diesen Planungen widmet sich der Punkt Zukunft. Ein Artikel bettet die Planungen für einen Gedenkort in die städtebauliche Umgestaltung des Kulturforums ein. Das Erinnern gestalten schließlich verweist auf den Gestaltungswettbewerb der Berliner Senatskanzlei für kulturelle Angelegenheiten für die Tiergartenstraße 4. Ziel ist ein im Jahr 2013 zu bauender Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde am Sitz der Planungszentrale.
Die Internetseite versteht sich auch als eine Plattform des Austausches, die ein allgemeines Forum, ein Angehörigenforum und über eine Blogfunktion aktuelle Informationen bereitstellt. So bietet der virtuelle Gedenkort auf der einen Seite qualitativ hochwertige Artikel, die sich den historischen Hintergründen der „Euthanasie“-Morde und dem Ort in der Tiergartenstraße widmen, auf der anderen Seite ist er ein Ort des Austausches und der Information über eine zeitgenössische Gedenkkultur, deren Ausgestaltung und Diskurse über diese einen hochaktuellen Prozess darstellt.
Gedenkort-T4 hat außerdem verschiedene Vorträge und Gesprächsrunden zur „Euthanasie“ aufgenommen und als Audiodateien im Internet zur Verfügung gestellt. Über die Seite Soundcloud haben Nutzer die Möglichkeit, Vorträge über Medizin im Nationalsozialismus und über psychiatrische Menschenversuche im Baltikum, sowie den Mitschnitt einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „NS-“Euthanasie“-Verbrechen in der Sowjetunion“ anzuhören.
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- 16/05/2012 - 07:43