Die Gedenkstätte Point Alpha – Geschichte wird lebendig
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Content-Author: Ingolf Seidel You have to be logged in to view the profile
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Von Mario Becker
Viele Jahre galt der US-Beobachterstützpunkt Point Alpha als „heißester Punkt im Kalten Krieg“ (Sir Peter Ustinov). An der Nahtstelle zwischen Freiheit und Unfreiheit an der innerdeutschen Grenze im legendären „Fulda Gap“ standen sich zum Äußersten bereit die großen Macht- und Militärblöcke der Welt jener Zeit gegenüber.
In Osthessen ragte das Gebiet der DDR am weitesten in die Bundesrepublik hinein. Die NATO ging deshalb davon aus, dass eine mögliche Invasion des Warschauer Paktes im hessisch-thüringischen Grenzgebiet wahrscheinlich war, da dort die topographische Beschaffenheit des Geländes einem Panzerangriff sehr entgegen kam, weil sie wenig natürlichen Widerstand bot. Zudem war in diesem Gebiet auf thüringischer Seite die 8. Gardearmee der Sowjetunion stationiert. Diese strategische Lage hätte es ermöglicht, die Grenze bei Fulda zu durchbrechen und durch das relativ flache Gelände in ein bis zwei Tagen das Rhein-Main-Gebiet mit der Rhein-Main Air Base zu erreichen. Folglich wäre die Bundesrepublik in zwei Hälften geteilt und der wichtigste NATO-Stützpunkt in Europa ausgeschaltet. Bei einem Angriff hätten die Streitkräfte der NATO kaum Möglichkeiten gehabt, diesen effektiv zu stoppen.
Die NATO entwickelte deshalb Pläne zur Verteidigung der Bundesrepublik und Westeuropas für den Fall, dass der Warschauer Pakt hier einen Angriff beginnen würde. Das US-Militär begann bereits in den 60er Jahren mit dem Aufbau eines Beobachtungsstützpunktes in der Nähe von Rasdorf, der in den folgenden Jahrzehnten schrittweise von einem einfachen Zeltcamp zu einem festen Standort mit Fahrzeughalle ausgebaut wurde, in dem im Regelfall 40 und in Krisenzeiten bis zu 200 Soldaten des 11. Armored Cavalry Regiment stationiert waren. Zudem konzentrierten die Amerikaner massiv Truppenverbände rund um das 30 km entfernte Fulda, um einen Angriff bis zum Eintreffen von Nachschub bremsen zu können. Auch der Einsatz taktischer Kernwaffen wurde nicht ausgeschlossen, was eine Verwüstung weiter Teile Mitteldeutschlands nach sich gezogen hätte.
Die Verteidigungspläne blieben bis zur Deutschen Wiedervereinigung und bis zum Ende des Kalten Krieges gültig. 1991 verließen die Amerikaner nach 26 Jahren den Stützpunkt. Point Alpha ist heute der einzige noch erhaltene der 15 ehemaligen US-Beobachtungsstützpunkte an der innerdeutschen Grenze und dient seit 1995 als Mahn- und Gedenkstätte.
Die Gedenkstätte Point Alpha bietet Jugendgruppen und Schulklassen die Möglichkeit, Geschichte an einem authentischen Ort zu erleben. In den beiden Ausstellungen im Grenzmuseum und im US-Camp befinden sich zeitgeschichtliche Zeugnisse und Exponate, die den Aufbau der Grenzanlagen, das Alltagsleben an der innerdeutschen Grenze sowie militärische Abläufe und Vorfälle veranschaulichen.
Die beiden Workshop-Angebote mit den Schwerpunkten „Innerdeutsche Grenze“ und „Kalter Krieg“ folgen den Anforderungen des interaktiven, forschenden Lernens am authentischen Ort:
Sehen – Verstehen – Kommunizieren und Reflektieren
Die Schüler/innen sind aktiv am Erwerb von geschichtlichen Kenntnissen beteiligt und erfassen somit historische Sachverhalte nachhaltiger.
Sehen: Gemeinsame Führung
Ausgangspunkt für das Lernen am authentischen Ort in der Gedenkstätte ist das „Haus auf der Grenze“ mit Sammlungsgegenständen, Originaldokumenten und Zeitzeugenberichten sowie die Mustergrenze im Außenbereich, der historische Ort des US-Camps und die dortige Ausstellung zum Thema „Kalter Krieg“. Durch die Führung wird den Teilnehmer/ innen ein Überblick vermittelt und die unmittelbare Wirkung des realen Ortes erlebbar.
Verstehen: Gruppen- und Partnerarbeit
Die Schüler/innen klären und strukturieren im Plenum durch einen Impulsvortrag mit dem Referenten ihr Vorwissen und legen die Grundlage für eine selbstständige Erarbeitung der ausgewählten Inhalte. Anschließend begeben sich die Schüler/innen auf Spurensuche durch das Gedenkstättengelände, um für die Aufgaben ihres Moduls zu recherchieren, indem sie Exponate, Zeitzeugenberichte, Dokumente und Filmberichte auswerten.
Kommunizieren und Reflektieren: Präsentation
Die Schüler/innen präsentieren ihre Ergebnisse und kommen dabei mit ihren Mitschüler/innen ins Gespräch, um für alle Schüler/innen eine Auseinandersetzung mit dem Thema zu erreichen. Aus den verschiedenen Einzelaspekten entsteht so ein differenziertes Gesamtbild. Am Ende steht dann eine abschließende Reflexion zum einen über den Begriff und vor allem die Bedeutung von „Freiheit“ oder zum anderen über die ernsthafte Bedrohung der Menschheit durch die atomare Abschreckung und über die Schuld am Kalten Krieg.
Einige Gästeführer/innen und andere Persönlichkeiten mit Bezug zur Gedenkstätte fungieren als Zeitzeugen, die mit Gruppen über ihre persönlichen Erlebnisse ins Gespräch kommen. Es stehen Zeitzeugen von der thüringischen und der hessischen Seite mit den thematischen Schwerpunkten Flucht, Alltagsleben in der DDR, Stasi und Diktatur, BGS, US-Streitkräfte im Fuldaer Land und Ereignisse an der innerdeutschen Grenze zur Verfügung. So berichtet zum Beispiel Bernhard Fey über seinen missglückten Fluchtversuch an Weihnachten 1975, der mit einer schweren Verletzung durch eine Selbstschussanlage und einer Haftstrafe endete. Für jüngere Schüler/innen geeignet ist die selbstständige Erkundung der Gedenkstätte durch die Beantwortung eines Fragenkatalogs. Dazu dienen Exponate, die in der Ausstellung oder im Außenbereich aufgesucht werden und das nötige Wissen vermitteln.
Mehrtägige Aufenthalte auf Point Alpha können durch weitere Elemente ergänzt werden, zum Beispiel durch von Gästeführern geleitete Grenzwanderungen zu Grenztürmen, Sprengstoffschächten oder „Geschleiften Höfen“. Zudem bietet der 2010 entstandene „Weg der Hoffnung“ – ein aus 14 monumentalen Figuren bestehender Wanderweg, der sich am christlichen Kreuzweg orientiert – die Möglichkeit, den christlichen Aspekt mit den Erfahrungen der Menschen an der innerdeutschen Grenze zu verbinden.
Eine der pädagogischen Herausforderungen von Point Alpha besteht darin, der Unterschiedlichkeit der Schüler/innengruppen gerecht zu werden. Dies betrifft zum einen die verschiedenen Altersstufen von Klasse 7 bis zur Jahrgangsstufe 13. Zum anderen nutzen alle Schulformen die Möglichkeit, sich auf Point Alpha differenziert mit der deutsch- deutschen Geschichte auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund ist das Bildungsangebot der Gedenkstätte modular aufgebaut, so dass auf alle Besuchergruppen individuell eingegangen werden kann.
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage von Point Alpha.
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- 18/04/2012 - 06:23