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Feindliches Fernsehen

DDR, BRD
Claudia Dittmar: Feindliches Fernsehen. Das DDR-Fernsehen und seine Strategien im Umgang mit dem westdeutschen Fernsehen, transcript Verlag, Bielefeld 2010. 34,80 Euro.

Annemarie Hühne

Wie in anderen Bereichen wurde auch beim Fernsehen in dem einen Teil Deutschlands auch  dem jeweils anderen Teil Beachtung geschenkt. Daher ist die Geschichte des DDR-Fernsehens immer mit dem Blick nach Westen verbunden, es ist eine konkurrierende und dialogische Geschichte, die dementsprechend untersucht werden muss. Diesen Ausgangspunkt wählt auch Claudia Dittmer in ihrer Dissertation, die nun in einer überarbeiteten Version als Buch erschienen ist. In ihrer Arbeit widmet sie „sich ganz zentral dem Charakter und den konkreten Umständen dieses – für das DDR-Fernsehen so bedeutenden – Kräftemessens“. (S. 7) Ziel ihrer Arbeit ist der Beweis, dass auf institutioneller Ebene der Konkurrenzkampf und Wettstreit mit dem bundesdeutschen Fernsehen auf das DDR-Fernsehen gewirkt habe. Um die Programmentwicklung durch die Einflüsse aus dem BRD-Fernsehen zu untersuchen, analysiert die Autorin „Programmkonzeptionen, Jahres- und Monatspläne sowie Thesenpapiere zur Arbeit der Fernsehführung und Wirksamkeit des ostdeutschen Fernsehens“. (S. 9)

Erste Entwicklungen

Das vorliegende Buch ist chronologisch aufgebaut und jedes Kapitel wird mit einem Überblick über die politischen Problemstellungen der betrachteten Zeit eingeleitet. Nach einer Zusammenfassung des Forschungsstandes zur Thematik des Buches werden die ersten Jahre des DDR-Fernsehens von 1950 bis 1955 betrachtet. In Berlin-Adlershof wurde 1950 das Fernsehzentrum errichtet und ein Jahr später mit den ersten Funkversuchen gestartet. 1952 begann die Ausstrahlung des Versuchsprogramms, welches die Autorin unter dem Aspekt des Wettlaufs mit dem BRD-Fernsehen untersucht. Als 1956 mit dem regulären Programm in der DDR begonnen wurde, versuchte die SED, wie Dittmer im dritten Kapitel deutlich macht, eine Doppelstrategie zu verfolgen: „Im Osten ging die politische Führung von einer abschätzbaren Gruppe von bisher politisch indifferenten Zuschauern aus, bei denen das Fernsehen Überzeugungsarbeit zu leisten hatte. Im Westen galt es, ein ganzes, bisher politisch fehlgeleitetes Volk für die ideologische Wahrheit der DDR zu gewinnen.“ (S. 75) Neben der ideologischen Zielsetzung betrachtet Dittmer an dieser Stelle auch die Ausbildung des Feindbildes im Fernsehprogramm und analysiert Strategien des Umgangs mit dem westdeutschen Fernsehen. Ebenso stellt die Autorin ein eher unbekanntes, aber dennoch sehr spannendes Projekt der DDR, das sogenannte Deutschland-Fernsehen vor. Dies sollte ein spezieller Fernsehsender für die westdeutsche Bevölkerung sein und zeigt die klare westliche Ausrichtung des DDR-Fernsehens Mitte der fünfziger Jahre.

Koexistenz und Konkurrenz

Die zweite Phase des ostdeutschen Fernsehens überschreibt Claudia Dittmer als „Ankunft als Massenmedium“. (S.181) Zu dieser Zeit hatten sich die organisatorischen Strukturen gefestigt, die Ausrichtung auf eine gesamtdeutsche Öffentlichkeit blieb erhalten, doch das westdeutsche Publikum war nicht mehr im Fokus. Vielmehr konzentrierte sich die Fernsehführung auf die ostdeutschen Zuschauer/innen und deren Sehgewohnheiten des westdeutschen TV-Programms. In diesem Zusammenhang verstärkten sich auch die Thematisierung des Feindbildes und das Interesse der SED-Führung an diesem Medium. In dem folgenden Kapitel analysiert die Autorin das Verhältnis von Konkurrenz und Koexistenz des Fernsehens im geteilten Deutschland in den siebziger Jahren. Dabei spielt der Einfluss der Politik auf das Fernsehen, aber auch die Rückwirkung dessen auf die Politik eine Rolle. In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts schlagen sich die Unzufriedenheit in der Gesellschaft auch auf das Fernsehen nieder. Weitere Gründe für die Schwierigkeiten des DDR-Fernsehens sieht die Autorin in den politischen und wirtschaftlichen Zwängen, der die Produktion ausgesetzt war, aber auch in der Einführung des dualen Rundfunksystems in der BRD. So setzte nun das ostdeutsche TV-Programm verstärkt auf Unterhaltung und akzeptierte das wechselhafte Sehverhalten hin zum mehrfachen Umschalten zwischen ostdeutschen und westdeutschen Sendern seines Publikums.

In ihren Schlussfolgerungen gibt die Autorin einen Überblick über die Entwicklungen des DDR-Fernsehens im Rahmen der politischen Bedingungen und fasst die Konstruktion des Feindbildes im TV-Programm und den damit verbundenen Konkurrenzkampf zusammen. Neben ihrer Analyse bietet Claudia Dittmer im Anhang eine Zusammenstellung von relevanten Persönlichkeiten rund um das DDR-Fernsehen, aber auch den Hörfunk und die Politik. Dieses Überblickswerk eignet sich für den Einstieg in diese Thematik, da es viele allgemeine Informationen, aber auch vergleichende und detaillierte Analysen beinhaltet. Besonders der vergleichsgeschichtliche Blick auf die Entwicklungen des Fernsehens im geteilten Deutschland gliedert sich in die derzeitige Forschungsliteratur zu diesem Abschnitt der Geschichte ein.

 

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