Liebe Leserinnen und Leser,
wir begrüßen Sie zur neuen Ausgabe des LaG-Magazins. Wie der Titel besagt, bilden Auseinandersetzungsformen mit NS-Täterschaft und Kollaboration dieses Mal den Schwerpunkt. In den letzten Jahren ist die Auseinandersetzung mit der Verstrickung in Nationalsozialismus und deutsche Besatzung verstärkt in der Bildungsarbeit thematisiert worden. Die Täterforschung in den Geschichtswissenschaften setzt sich seit den 1990er-Jahren in größerem Rahmen mit der Thematik auseinander.
Dennoch sind familienbiografische Nachforschungen und Gespräche gesamtgesellschaftlich marginal. Hier stellt sich die Frage, ob und inwieweit der derzeit stattfindende Rechtsruck, nicht nur in Deutschland, mit familiären oder gesellschaftlichen De-Thematisierungen und Problematiken von Erinnerungskulturen an die NS-Mordtaten in Europa zusammenhängt. Zumindest besteht in Mittel- und Osteuropa ein konfliktbehaftetes Verhältnis in den Erinnerungen an den „real existierenden Sozialismus“ und stalinistische Verbrechen auf der einen Seite und an deutsche Besatzung, Shoah, Porajmos und Kollaboration auf der anderen Seite. Die meist geschichtspolitisch aufgeladenen Erinnerungskonflikte führen nicht selten zu nationalen Opfernarrativen, wie dies in den baltischen Staaten oder auch der Ukraine zu beobachten ist. In diesem Zusammenhang ist jede Überheblichkeit von deutscher Seite aus unangebracht, wurden doch viele Diskussionen zum Umgang mit der NS-Vergangenheit erst auf Druck von Überlebenden oder von bürgerschaftlich engagierten Menschen, häufig gegen die staatliche und mehrheitsgesellschaftliche Agenda, geführt. Der erinnerungspolitische Umgang beispielsweise mit Sinti und Roma zeigt, dass hier noch viel Diskussions- und Handlungsbedarf besteht.
Oliver von Wrochem konstatiert eine zunehmende Bereitschaft, sich in Deutschland mit der Frage von Täterschaft, auch im familiären Rahmen, auseinanderzusetzen. Seine Betrachtungen basieren auf der reichhaltigen Erfahrung mit entsprechenden Seminaren, die von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme angeboten werden.
Barbara Brix hat sich lange Jahre mit der Geschichte ihres Vaters auseinandergesetzt, der als Mitglied der Waffen-SS und Arzt der Einsatzgruppe C in das Morden in der Sowjetunion verstrickt war. In ihrem Essay zeichnet die Autorin die Entwicklung dieser Auseinandersetzung und die Fragen, die sich für sie daraus ergaben, sehr persönlich nach.
Mit der ambivalenten Position zwischen Täterschaft und Opferdasein der Trawniki-Männer, überwiegend sowjetische Kriegsgefangene, die unter anderem in den Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“ eingesetzt wurden, setzt sich Angelika Benz auseinander.
Der Beitrag von Ingolf Seidel ist ein Bericht über eine Exkursion zu Orten der Zeitgeschichte in Lettland und Litauen im Frühsommer dieses Jahres. Darin zeigt er die konkurrierenden Narrative zu sowjetischer und deutscher Besatzung innerhalb der beiden baltischen Staaten auf.
Die norditalienische Kriegsgräberstätte für deutsche Soldaten in Costermano dient für Rolf Wernstedt als Beispiel, sich mit den erinnerungskulturellen Herausforderungen und Schwierigkeiten des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge auseinanderzusetzen, die an einem Ort bestehen, an dem unter anderem NS-Täter wie Christian Wirth, Franz Reichleitner und Gottfried Schwarz begraben liegen.
Auch Henning Pieper nimmt sich des Themas von Kriegsgräbern an. An drei Beispielen, Weimar, Costermano und Lommel, führt er seine Betrachtungen zum Umgang mit Gräberstätten aus, die für Täter und Opfer die letzte Ruhestätte sind.
Carmen Ludwig bespricht das Buch „Der lange Schatten der Täter. Nachkommen stellen sich ihrer NS-Familiengeschichte“ von Alexandra Senfft, das autobiografische Auseinandersetzungen zu elf Familiengeschichten im Nationalsozialismus beinhaltet.
Wir danken allen externen Autor_innen herzlich für die Mitarbeit.
Das nächste LaG-Magazin erscheint am 23. November. Es trägt den Titel „Extreme Rechte und Möglichkeiten präventiver Bildungsarbeit“.
Wir wünschen Ihnen eine gewinnbringende Lektüre.
Ihre LaG-Redaktion